Geschichte

Jeder, der einen geliebten Menschen verloren hat, unabhängig vom Grund und dem Alter der Person, kennt die plötzliche Leere und den Schleier aus Trauer und Machtlosigkeit, der sich vom einen auf den anderen Tag über das Leben legt. Jeder geht anders mit dieser Situation um und muss seinen Weg finden, das Geschehene aufzuarbeiten.

Unser Weg begann in der Straßenbahnlinie 5, auf der Höhe Markthalle, auf dem Weg zu unserem damaligen Stammlokal. Es war wenige Wochen nachdem Jürgen von uns gegangen war. Seine letzten Lebensjahre konnte Jürgen in Wien verbringen, was uns ermöglichte unsere alte Freundschaft neu aufleben zu lassen, wenn auch nur kurz. Man konnte Jürgens enorme Freude in seinen Augen sehen, an den Tagen und Momenten an denen es sein Gesundheitszustand zuließ, um gemeinsam mit uns Fußball zu schauen, zu Wuzzeln, oder einfach nur um über Gott und die Welt zu plaudern. Diese gemeinsame Energie spürte jeder von uns, es war schön.

Ab jetzt mussten wir ohne ihn fahren …

Gleich und gleich gesellt sich gern, sagt man. Hoffen wir.

Die vielen Facetten seines Charakters sind schwer in Worte zu fassen, wie bei allen anderen Menschen auch, dennoch war er etwas ganz Besonderes. Seine akademischen und menschlichen Errungenschaften waren die Konsequenz seiner Wissbegier und Offenheit allen Menschen und Herausforderungen gegenüber, den Ursprung fanden sie jedoch in der Aufrichtigkeit, Herzlichkeit und Ehrlichkeit seines Charakters. Die Freiheit seines Denkens und der unbändige Drang nach Entwicklung und Fortschritt machten ihn zu einem hervorragenden Wissenschaftler, vielleicht sogar zu einem Visionär, ohne dabei auf das Wesentliche zu vergessen, seine Liebe zu Familie und Freunden. All das und vieles mehr vereinte er gekonnt in seiner Persönlichkeit. Wer Jürgen kannte, wusste aus welchem Holz er geschnitzt war, und dass Entmutigung oder Resignation Begriffe waren, die in seinem Handeln und Streben nie wiedergespiegelt wurden.

Nicht in seinen schwersten Stunden und auch nicht in seinen letzten.

Umso schwerer fiel es uns den Verlust zu begreifen. Wie der Nebel und die Kälte sich an diesem Abend über unsere Stadt legten, senkte sich die traurige Gewissheit über unser Leben. Oft nachdem Jürgen uns verlassen hatte, kreisten unsere Gedanken um ihn, er war der Inhalt unserer Gespräche. Auch damals in der Straßenbahnlinie 5. Keiner von uns konnte oder wollte das Geschehene einfach hinnehmen und der Zeit ihren Lauf lassen. Wir mussten etwas tun.

Unsre Hände müssen nicht rasten, unsre Beine nicht ruh‘n!

Wir, seine engsten Freunde und Familie, weigerten uns zu akzeptieren, dass sein tapferer Kampf umsonst war und sein Name verhallt. Wir wollten, wir mussten weiterkämpfen. Nicht zurück finden zur Normalität, sondern bestärkt durch seine Geschichte, so traurig sie auch endete, nach Vorne zu blicken, und jenen, welche ihren erbittertsten Kampf noch auszufechten hatten in irgendeiner Form beiseite zu stehen. Wie Jürgen es auch getan hätte.

Unsre Hände werden nicht rasten, unsre Beine nicht ruh’n!

Viele Stunden verbrachten wir gemeinsam beim Sport, in der Schule, im Käfig, auf dem Fußballplatz. Ja, der Sport verband uns alle, auch über die Schulzeit hinaus und auch in dieser aussichtslosen Situation. So schwer die letzten Wochen auch waren, wir wollten zurückfinden zu unserem Freund Jürgen, wie er vor dieser schrecklichen Krankheit war, sportbegeistert und wissbegierig, besinnt auf die Wurzeln seiner Herkunft und den Blick stets in die Zukunft gerichtet. Mit Liebe zum Detail und den Menschen um sich, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Aber vor allem mit einem Lächeln auf den Lippen und einer scheinbar mühelosen Leichtigkeit die seinesgleichen sucht.

Der Fußballsport verband uns und er sollte uns wieder verbinden, die Idee des Jürgen-Wagner-Benefiz-Fußballturnieres war geboren.